Ich sitze in einer Talkshow inmitten der anderen Gäste und werde vom Gastgeber gefragt, wieso ich meinen Lesern unablässig Flöhe ins Ohr setzte. Die Gesichter der anderen Gäste leuchten plötzlich in meine Richtung und formen sich zu Fragezeichen. Die Lage scheint aussichtslos zu sein. Eine Antwort muss her:
»Nun«, beginne ich und fuchtele bedeutungsvoll mit den Händen in der Luft, »ich kann Ihre Gedanken nicht nachvollziehen!«, fahre ich fort. »Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und jeder stellt seine Weichen auch selbst.« Ich fasele irgendwas Allgemeingültiges daher, um positives Kopfnicken zu provozieren. Ebenso gut hätte ich auch bis 10 zählen oder die Wochentage aufsagen können. Diesen Dingen widerspricht niemand.
Schlagartig hole ich zu meiner Rettung aus.
»Mal was völlig anderes …«, lenke ich ab und lamentiere vordergründig, »… in den Siebzigern, Sie erinnern sich, war diese Watergate-Affäre, mit Nixon und so. Die CIA-Beamten, die sich seinerzeit die Bewachung des Hotels oder des Zimmereingangs oder was-weiß-ich teilten, hießen mit Nachnamen Aronal und Elmex, wie man erst neulich lesen konnte. Ja! Jeder der Herren schob Schichtdienst: Morgens Aronal und abends Elmex.«
Es ist immer gut, die Medien zu Hilfe zu nehmen, um dem Zuhörer das Gefühl des Mitwissers zu vermitteln, auch wenn das Behauptete in keiner Zeitung zu lesen stand.
»Jahre später«, tönte ich weiter, »griff ein Unternehmen diese Idee auf und benannte eine Zahnpasta genauso: Aronal und Elmex. Und um den Umsatz von vornherein zu verdoppeln, musste der Verbraucher – zum Schutze seiner Zähne – gleich zwei Tuben erstehen.«
»Ja!«, fügte ich schelmisch hintendran und erzeugte allgemeines Kopfnicken, denn niemand will als Medienzweifler in die Schlagzeilen geraten. »So hat sich das abgespielt, so war das seinerzeit wirklich«, sagte ich mit der abgebrühten Miene eines Henkers.
»Und jetzt im Moment sitzen unzählige Menschen zu Hause vor der Glotze und sagen sich: Kannste mal sehen!« In Profi-Kreisen nennt man es auch Gehirnwäsche.
»Aber mal ernsthaft. Alles was ich Ihnen eben erzählte, ist hanebüchener Unsinn. Ich hab’s erfunden, es ist schlicht und ergreifend unwahr. Sie selbst haben sich den Floh ins Ohr gesetzt. Ich habe Sie nur nicht daran gehindert.«
Plädoyer für Raucher.
Raucher wollen nicht aufhören zu rauchen. Nichtraucher wollen es. Es ist wie mit den Nichtschwimmern, die permanent von Schwimmern dazu aufgefordert werden, endlich schwimmen zu lernen. Gäbe es kein Wasser, gäbe es keine Schwimmer, bzw. Nichtschwimmer. Auch besäße niemand ernsthafte Angst zu ertrinken. Worin bloß, wenn kein Wasser da wäre. Die Titanic wäre nie gesunken und Columbus hätte niemals den Seeweg nach Amerika entdeckt.
Und bei Rauchern? Da könnten Zimmer, Häuser und selbst ganze Gemeinden abbrennen. Und Nero? (Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus – geb. am 15. Dezember 37 in Antium und gest. am 09. oder 11. Juni 68 bei Rom – war von 54 bis 68 Kaiser des Römischen Reiches.) Nero war bestimmt Raucher und hatte sein Laster nicht unter Kontrolle. Natürlich hat das der Geschichtsschreiber vergessen zu erwähnen. Es macht sich eben nicht gut, wenn ein notorischer Pyromane obendrein als Raucher herhalten muss.
Auch ist Rauchern keine direkte Schuld an deren Tun zuzuweisen. Raucher bauen den Tabak nicht selbst an, sind weder Importeur noch Großhändler in Sachen Räucherwaren. Genaugenommen gehen Raucher einem sozialen Dienst nach und verwerten Laub. Tabak ist rein biologisch nichts anderes als Laub. Mittlerweile entsteht jedoch überall dort, wo Laub beseitigt wird Ärger.
Recycling darf bei Tabakwaren nicht aufhören.
Kaum lässt der Herbst die Blätter von den Bäumen fallen und sie trocknen zu Laub, fühlt sich irgendjemand berufen, einen Laubsauger anzuwerfen und dem Laub an den Kragen zu wollen. Laubsauger entwickeln einen höllischen Lärm, verursachen Kosten und Folgekosten. Raucher entfernen Laub erheblich geräuschloser. Ist man erst einmal Raucher und besitzt alle erforderlichen Accessoires, kommt man mit diesen gefühlte Ewigkeiten aus.
Selbst die zurückbleibende Asche wird vom Winde verweht. Die Industrie steht allerdings in der Pflicht, sich schleunigst etwas einfallen lassen, damit die Filter einiger Zigarettensorten wieder verwertbar werden. Ebenso hat sich das Auge mit den Jahren daran gewöhnt, auf Häuserwände zu schauen, an denen ein Zigarettenautomat befestigt wurde. Tankstellen, Kioske und etliche Lebensmittelgeschäfte wüssten mit dem Platz, der durch plötzlich fehlende Tabakwaren gewonnen wäre, nichts Rechtes anzufangen. Vom Umsatzverlust ganz zu schweigen.
Tabak verkauft sich auch ohne Werbung.
Zigaretten gehören zu jener Warengruppe, die auch ein bellender Hund verkaufen kann, wie Sales-Manager zu sagen pflegen. Egal von welchem Fleck der Erde sie geschmuggelt werden und egal was außer Tabak noch in ihnen steckt, Zigaretten sterben nicht aus. Eher stirbt der Raucher, aber es fehlt nicht an Nachwuchs, es wachsen genügend Raucher nach. Schon mit 10 oder mit 12 Jahren qualmen die Kids wie Schlote und schicken sich an echte Kettenraucher zu werden.
Der Graf von Monte Christo saß 14 Jahre unschuldig in seinem Kerker und rauchte in dieser Zeit nicht. Dumas schrieb jedenfalls nichts darüber. Vielleicht schien es ihm aber auch nicht wichtig es zu erwähnen. Rauchen ist in vielen Gegenden normal und wird keinesfalls als störend, geschweige gesundheitsschädlich betrachtet. Niemand würde es als Besonderheit betrachten, wenn jemand atmet. Vielleicht hat Alexandre Dumas darum nichts übers Rauchen geschrieben, was den Grafen von Monte Christo anbelangt.
Rauchen ist Kult.
Das aktive und somit auch das passive Rauchen wurde so ziemlich aus dem täglichen Geschehen verbannt. Galt es in früheren Jahren noch als schick mit einer Zigarette aufzutreten, will man dieses Bild brutal zerstören. Die Damen sah man gerne mit einer Zigarettenspitze, allein schon wegen des Geruchs an den Fingern. Zwiebeln sollen nicht nach Qualm einer Zigarette schmecken, sondern nach Zwiebeln und bei Knoblauch soll es ähnlich sein. Da standen sie dann, die Damen in ihren feschen Blusen und lehnten sich – eine Zigarette rauchend – gegen ein Automobil.
Oft trugen sie eine dieser bonbonfarbenen und knallengen Caprihosen. Die damaligen Illustratoren ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Das Auge des Betrachters klebte förmlich auf der handgezeichneten Eva und ließen das Töff-Töff dabei ins Hintertreffen geraten. Auch in unzähligen Filmen quoll Zigarettenrauch aus dem Munde der Protagonisten und niemanden störte es. Man war es auch gewohnt, dass sich auf den Tischen und der Theke Aschenbecher befanden. Möglichst groß sollten sie sein, damit die Werbeaufschrift weit lesbar war. Auf den Tischen etablierter Caféhäuser fanden sich sogar silberne Halterungen für Streichhölzer ein.
Für Raucher wurde stets gesorgt.
Indianer oder Ureinwohner Amerikas, wie sie treffender bezeichnet werden wollen, lassen die Friedenspfeife erglühen. Das ist Brauch und Sitte. Das ist Kult, das hat Tradition. Womit ließe sich derlei ersetzen? Es bliebe ebenso ohne Alternative, wie der Austausch einer bayrischen Lederhose. Auch für die scheint es kein Pendant zu geben. Mit dem Rauchen aufzuhören käme also einem nackten Bayern gleich, weil man ihm die Krachlederne auszog. Friedlich läuft so was nicht ab. Ebenso störrisch reagieren Raucher, kommt man ihrem Vergnügen – dem Rauchen – zu nahe.
Rauchen wurde also seit gefühlten Ewigkeiten hofiert. Zumindest wurde rauchen gesellschaftlich toleriert, ja sogar akzeptiert. Allein die Frage, ob man Raucher sei, rekrutiert aus diesen Gedanken. Es war interessanter zu wissen, ob jemand Raucher sei, als dieselbe Person nach adäquateren Eigenschaften zu fragen. Rauchen steht synonym für Laster und mit Laster assoziiert der Kopf eher eine Lasterhöhle oder etwas Lasterhaftes. Rauchen ist also etwas Lasterhaftes? Gestern noch gesellschaftlich akzeptabel und heute lasterhaft? Das will irgendwie keine Einsicht erzeugen.
Rauchen in der Öffentlichkeit kommt schon fast der Ächtung nahe. Raucher sehen sich an den Pranger gestellt und das muss nicht zwingend einen gesundheitlichen Hintergrund besitzen. Selbst die eigene Wohnung wird fremdbestimmt, wenn’s ums Rauchen geht. Gaststätten werden per Gesetz zu Nichtraucherstätten und allerorts finden sich sogenannte Raucherzonen ein. Es sind Raucher-Gettos. Käfige ohne Gitter, in denen man sich bestaunen lassen kann, wie exotische Tiere im Zoo.
Schau mal, da drüben, da stehen Raucher.
Ein deutscher Altkanzler raucht, wo er sich gerade befindet. Das kann auch in der Öffentlichkeit sein, im TV sogar oder in Räumen, in denen ansonsten Rauchverbot herrscht. Er diskutiert nicht über seine Leidenschaft, er setzt sie durch. Er trägt einen Herzschrittmacher. Und was hindert den Otto Normalverbraucher nun, dem gleichzutun? Rauchen ohne an gesundheitliche Konsequenzen zu denken. Er (der Altkanzler) fungiert als Beispiel und allein darum gebührt ihm Dank.
Also hat erst die Gesellschaft einen braven Nichtraucher zum unbelehrbaren Raucher gemacht? Prinzipiell ja. Nur durch das Vormachen entsteht ein Nachmachen. Niemand, der auf einer einsamen Insel lebt, beginnt plötzlich zu rauchen. Es existieren keine Vorlagen, also entsteht kein Bedarf. Raucher können sich nicht mehr an die Situation erinnern, in der sie zum Glimmstängel griffen. Diese Position scheint gelöscht worden zu sein. In dieser Situation liegen allerdings die Gründe verborgen, warum jemand raucht.
Wahrscheinlich aus sozialen Gründen. Man wollte den anderen, nämlich denen, die schon rauchten, gleich tun und um nichts nachstehen. Gesellschaftliche Anerkennung erlangen. Bei Frauen und Männern ist dieser Drang gleichsam vorhanden. Man will geliebt und gelobt werden. Der eine findet in einer Tafel Schokolade sein Heil, der andere am Zug an einer Zigarette.
Rauchen und die Gesundheit.
Rauchen macht krank, basta. Aber nicht nur rauchen. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht irgendein Krebserreger in irgendeiner Substanz festgestellt wird, die der Verbraucher täglich zu sich nimmt und das schon jahrelang. Rauchen verengt die Gefäße, sagt man. Raucherlungen sehen scheußlich aus, sagt man. Rauchen begünstigt zum Beispiel Kehlkopfkrebs und andere, die Atemwege angreifende Krebsarten. Und dann werden sie behandelt, operiert und zur Genesung geschickt, die Raucher.
Und was das wieder kostet …
Da stehen sie dann bei Wind und Wetter vor den Türen der Kliniken oder der REHA’s, die frisch operierten Raucher und qualmen durch ihre Löcher am Hals. »Die sind unbelehrbar«, sagen viele Ärzte, durch deren Kittel die Zigarettenpackungen schimmern. Mit Raucherbeinen und schockierenden Bildern auf den Packungen will man drohen, ermahnen, erziehen und einen evtl. Schaden begrenzen. Den Raucher stören solche Aufdrucke nicht. Notfalls kann man den Inhalt in eine neutralere Umgebung schaffen und sich den Anblick ersparen.
Rauchen gilt offiziell nicht als Krankheit im Sinne einer Sucht. Drogen- und Alkoholsucht verfügen über einen völlig anders gelagerten Status. Rauchen gilt als Laster, weniger als Leidenschaft, wie beispielsweise Wein trinken. Rauchen wird mit negativen Eigenschaften belegt, um der Angelegenheit mit möglichst großer Abneigung zu begegnen. Raucher finanzieren ihre Leidenschaft und evtl. Ersatzmaßnahmen selbst. Niemand rechnet einem Drogenjunkie vor, welches Vermögen er in Laufe der Jahre verschnupft oder verdrückt hat. Derlei Rechenaufgaben sind bei Rauchern Tagesthema. Jeder Raucher hat mindestens schon einen Urlaub, eine Luxuskarosse oder ein Eigenheim verbrannt. Je nachdem, wie lange man dieser Leidenschaft schon frönt.
Auch scheint es niemanden zu stören, dass ein Haschisch-Raucher immerhin raucht. Dass er ein Drogenkonsument ist, lenkt stark von der Tatsache ab, dass generell geraucht wird.
Raucher belasten das Gesundheitswesen und somit die Solidargemeinschaft der Einzahlenden. Das Risiko bei Rauchern ist höher, demzufolge auch sollen es auch die Beiträge sein. Bei KFZ-Versicherungen geschieht ähnliches. Findet man auf kalorien- oder fetthaltigen Lebensmitteln Bilder von Übergewichtigen? Warum nicht? Gesunde Ernährung ist doch auch ein Garant für … für was bloß? Ein langes und gesundes Leben wird niemandem mit Nichts garantiert. Es gibt Hundert Jahre alte Raucher und es gibt Nichtraucher, deren Leben per Herzinfarkt mit 20 Lenzen beendet war.
Auch im Spitzensport wird gerne geraucht.
Fußball-, Handball- oder Wasserballspieler rauchen. Eigentlich zieht sich das Thema Rauchen durch den gesamten Profisport. Natürlich werden keine Mittelstürmer abgelichtet, während sie gerade genüsslich einen tiefen Lungenzug machen. Das sieht nicht sportlich aus, das steht konträr zu ihrem Job. Bei Ärzten soll es ähnlich sein. Auch aus dieser Riege sind kaum Fotos von qualmenden Chirurgen präsent. Der gewöhnliche Durchschnittsraucher hingegen, scheint keinem Job nachzugehen. Er ist nur eines: Tag und Nacht Raucher.
Raucher verpesten die Luft, Industrieschornsteine und Autos per Feinstaub ebenfalls. Selbst Kühe stehen mit ihren Methangasabsonderungen nicht unschuldig im Stall. Galten Tätowierungen noch vor Jahren als unfein und anstoßend, sind sie plötzlich gesellschaftsfähig. Vielleicht muss diese Zeile in einigen Jahren aus dem Buch verschwinden, weil sie nicht mehr den Gegebenheiten entspricht.
Raucher bleib‘ bei deinen Ausreden.
Nichts ist kreativer, als der Ausredenkatalog eines Rauchers. Die Gründe, warum ein Raucher trotz aller erdenklichen Maßnahmen immer noch raucht, sind unerreicht. Raucher sind im Grunde genommen, die geborenen Münchhausen. Raucher wollen nicht aufhören zu rauchen. Sie werden durch gesellschaftliche Veränderungen und Zwänge dazu getrieben, es wieder und wieder zu behaupten, dass sie es lassen wollen. Bei unzähligen Gelegenheiten ist die Disziplin, ein »Ich höre auf zu Rauchen« – Gelöbnis aufzusagen, schon fast zur Pflicht geworden.
Bald, irgendwann, demnächst oder nächstes Jahr.
Silvester ist so eine Station. Das alte Jahr hängt in den Seilen und das neue Jahr steht zumindest schon im Kalender. Und da wird es passieren, woran kaum noch jemand glaubte, ein Raucher wird zum Nichtraucher. Jedenfalls theoretisch. Praktisch schaut’s völlig anders aus. Mag sein, dass der feste Wille es tatsächlich zu werden, nicht ausreichend vorhanden ist, mag sein. Aber war er es jemals? Rauchern wird eine Menge vorgeworfen. In erster Linie jedoch Willensschwäche. Dabei wird einem Raucher unterstellt, dass er seine Leidenschaft gegen nichts einzutauschen gewillt ist. Wer glaubt denn so was?
Gegen Nichts eintauschen nennt sich verschenken!
Raucher sind Täuscher, Betrüger und Lügner. Vor allem belügen und betrügen sie sich selbst. Sind sie von ihrer Art überzeugt, wenden sie sich anderen zu, um diese Personen ebenfalls zu belügen oder zu betrügen, was letztlich aufs Gleiche rauskommt. Besonders geeignet sind Partner. Lebenspartner, Ehepartner, langjährige Kollegen im Betrieb usw. Diese Kolonne lässt sich vortrefflich manipulieren und jeder Magier würde dabei vor Neid erblassen. Mit unnachahmlicher Überzeugung und detaillierter Darstellung wird höchst offiziell verkündet, im neuen Jahr nicht mehr zu rauchen. Tusch! Aber schon im Moment der Vorankündigung steht für den Raucher fest, dass er es niemals tun wird. Er wird weiter rauchen. Er unterliegt bei der Verkündung der tonnenschweren Erwartungshaltung der Gesellschaft.
Raucher versprechen wem-auch-immer mit dem Rauchen aufzuhören. Sie werden es niemals tun und wissen es schon im Augenblick des Versprechens. Raucher lassen sich hypnotisieren und alle möglichen Behandlungsmethoden in dem Bewusstsein, nicht aufhören zu wollen, über sich ergehen. Rauchen ist vielleicht eine Sucht. Aber in vorderster Linie ist Rauchen Gewohnheit. Ebenso könnte einem Menschen untersagt werden ein »F« zu sprechen. Angewohnheiten sind kaum zu bändigen. Wäre ein Raucher auf einer einsamen Insel, würde er sich niemals an den Strand stellen und solch einen Mumpitz verzapfen, ungeachtet der Tatsache, dass er gar nicht rauchen würde. Es ist demnach die soziale Umgebung, die Gesellschaft.
Die Abhängigkeit ist es.
Raucher machen ihre Leidenschaft von vielen Dingen abhängig. Erstmal eine rauchen und dann … tja und dann wird das umgesetzt, was sich auch ohne vorher eine zu rauchen umsetzen ließ. Interessant dabei ist die Tatsache, dass der Raucher den Beginn seines Vorhabens von einer Zigarette abhängig zu machen scheint. Stünde dem Raucher nun keine Zigarette parat, unterläge sein Ansinnen sicher einem düsteren Vorzeichen und niemand dürfte sich wundern, wenn es final »in die Hose« geht. So entstehen Montags-Produkte, wenn die Geschäftsleitung die Pausen kürzt und keine Zeit mehr für die Zigarette bleibt.
Ebenso ist es umgekehrt. Nach der Umsetzung gewisser Dinge wird (erst einmal) eine geraucht. Das geschieht gerne nach dem Essen oder auch nach dem Sex. Mit der Zigarette wird eine Art krönender Abschluss gebildet.
Raucher sind Sammler in Sachen Alibi.
»Schau, der Fred, der hat’s auch nicht geschafft …!« Das ist so ein Alibi, wobei das Wort »auch« in der Aussage das Hauptwort darstellen will. Darum geht’s prinzipiell. Man gibt Unmengen an Geld für Präparate aus, die dem Raucher den Raucher-Garaus machen sollen, um nach einem völlig erfolglosen Herumprobieren sagen zu können: »Schau, das hat auch nicht geholfen. War aber schweineteuer …«
Und da ist es wieder. Das Wort »auch«. Es ist das Zauberwort. Es schafft Solidarität mit dem Unbekannten. Es rettet den Raucher aus jeder Situation und sollte an keinem Schweizer Armeemesser fehlen. Besonders hohe Preise für Präparate mag der Raucher. Je teurer, desto enttäuschender, wenn’s nicht gewirkt hat. Es soll gar nicht wirken und es wird auch nicht wirken.
Der Wille des Rauchers ist stärker als die Pharmazie.
»Schau was das wieder gekostet hat … und hat’s gewirkt … nicht eine Sekunde. Von dem Geld hätte ich dir auch was Schönes kaufen können …«
Den gesamten Text spricht ein Raucher ohne vorherige Proben. Eine begnadete Meisterleistung. Jedem professionellen Schauspieler triebe es nun die Schamröte ins Gesicht. Wieder eilt das Wort »auch« herbei und erfährt diesmal Unterstützung vom Wort »wieder«. Mit diesem Gespann schafft man es in den Recall. Gnadenlos wird dem Universum jedweder Schaden zugewiesen, dabei hätte man doch auch etwas Schönes dafür kaufen können. Raucher muss man lieben. Sie sind so uneigennützig.
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