It’s Party-Time

Apr 18th, 2013 by Lutz Spilker

Viele Möglichkeiten kräftig zu feiern ereignen sich binnen eines Jahres kaum, also muss selbst Initiative ergriffen werden. Zu Ostern oder an Weihnachten und selbst zu den Geburtstagen, ergeben sich kaum Gelegenheiten, den eigens für solche Anlässe geschaffenen Party-Keller zu beleben. Feste kann man nicht feiern wie sie kommen, denn oftmals kommen sie ungelegen, weil sie an ein festes Datum gebunden sind. Partys nicht.

Das originellste Geschenk eines geladenen Gastes war wohl die bunte Packung mit dem gefrorenen Mischgemüse aus der Tiefkühl-Abteilung eines Supermarkts. „Auf die Schnelle ließ sich nicht Gescheites auftreiben…“ meinte der Vorgeglühte. Die Einladungen teils per Post, teils per Email 4 Wochen vorher zu versenden, ist offensichtlich zu kurzfristig.

Auch wurde es tunlichst unterschlagen, einen Aufruf in div. Social-Portalen zu starten. Was dabei entstehen kann kennt man aus den Medien, wenn auch bloß 1 Häkchen anzuklicken vergessen wird. Ebenso hat man kaum die Räumlichkeit, geschweige Sitzmöglichkeiten parat, wenn plötzlich mehrere Tausend Leute den Vorgarten verwüsten und den neugierig hinter den Gardinen spionierenden Nachbarn das Gefühl vermitteln, sie sollten schnellstmöglich einen Luftschutzbunker aufsuchen.

Da feiert man lieber mit den gewohnten Freunden und Bekannten am Wochenende. Am nächsten Tag kann man ausschlafen und allein das lässt die Gewissheit aufsteigen, alles mit Freude und ohne Stress angehen zu können. Selbst die Beschallung ist im Party-Keller nicht für mehr als 50 Personen ausgelegt. Oldies gehen immer. Mit fortgeschrittenem Alter biegt es sich zu flotteren Rhythmen nicht mehr so easy und das Knacken im Knie ist unüberhörbar.

Die meisten Gäste haben ihre Mitbringsel von der Tankstelle an der Ecke, wie einige Preisaufkleber verraten, die man in der Hektik vergaß abzumachen. Vier Wochen scheint wirklich knapp zu sein, man unterschätzt scheinbar die Terminefülle Dritter.

Rotwein im Tetra-Pack ist jedenfalls besser zu stapeln und zu entsorgen, als vergleichbare Flaschenware, schmeckt nie nach Kork und ist um Einiges günstiger. Auch ein Satz Schneeketten als Gastgeschenk ist stets willkommen. Besonders dann, wenn man im Flachland wohnt und der Kalender den dritten Monat im Jahr beginnt. Und jenen, welche Blumengebinde vom Friedhof stibitzen, sei als Tipp gesagt: lasst wenigstens den Kranz auf dem Grab.

Mittlerweile ist es kurz nach Zehn Uhr und die meisten Party-Gäste sind eingetroffen. Wer jetzt noch erscheint, muss durch den Garten, die Treppe runter und klopfen. Oben macht keiner mehr auf. Die Treppe herunter wäre für einige die letzte Hürde, wohingegen sich die erste Hürde für mich in der Gestaltung der Einladung ergab. Es hat ein paar Anläufe gedauert, aber mittlerweile habe ich den Dreh raus.

Genaraltipp: Lass alles weg, was das eigentliche Motiv verwässert!

Gutes Essen, kühle Getränke und Tanz? Lustige Erwachsenenspiele, geheizte Räume, Bier vom Fass? Alles Käse, alles Unsinn, alles Müll. Das Essen von uns’ Mama ist immer gut und das Bier ist bestimmt nicht aus’m Heizungskeller. Das Wort „Spiele“ ist ein Downer, denn Spielen und Sport bedeutet: Alles Geschehen gemütlich von der Couch aus und ohne eigenen Körpereinsatz zu betrachten, wenn die Glotze läuft.

Also gibt’s nur eine klare Aussage: Party, wo und wann, fertig.

Jawoll, das lockt, das reicht, das kapiert jeder. Kein Schmucktelegramm, kein Firlefanz und keine Schnörkel, das habe ich kapiert und beherzigt. Die Bude ist voll und die Leute haben Spaß.

Um Elf Uhr liegen die ersten Schnapsleichen schon im Flur und blockieren den Weg zum Klo. Wenn man Ouzo wie Wasser aus der Leitung trinkt, wundert es niemanden. Umso mehr Bockwürstchen bleiben für die anderen übrig, vom selbstgemachten Kartoffelsalat ganz zu schweigen. Früher habe ich die Karte des Pizzabringdienstes rund gehen lassen. Halbverdaute Pizza geht aus Teppichboden ganz schlecht wieder raus.

Bei Kartoffelsalat strengt man sich nicht halb so viel an und den herumliegenden Würstchen reicht oft schon ein nasser Lappen im Gesicht, um sie wieder auf die Beine zu stellen. Auch bei einigen anderen Partyraketen wird nicht gleich erkennbar, ob ihre Nahrung wieder aus der gleichen Öffnung ins Freie will, durch die sie zuvor noch eingenommen wurde oder ob sie bloß tanzen. Den in Schalen gefüllten und auf den Tischen stehenden Chips, Salzstangen und anderen Knabbereien kommt nicht die nötige Aufmerksamkeit zu.

Offensichtlich ist der Trend zu Gummibärchen, Salinos, Lakritzschnecken und anderen Plombenziehern stärker, aber die Chance stand fifty-fifty. Die Saugfähigkeit von Laugengebäck ist bekannt, die von Gummibärchen eher umstritten. Lakritz erzeugt keine krümeligen Finger, im Gegensatz zu Chips. Das ist wahrscheinlich des Pudels Kern.

Nach der anstrengenden Tanzerei sitzen alle wieder am Tisch und erzählen sich Witze. Besonders die etwas Zotigen, werden angesichts der promilleschwangeren Erzähler mit einer speziellen Pikanterie zum Besten gegeben. Nicht jeder Witzerzähler entpuppt sich als zündende Tischrakete. Einige lallen derart, so dass die Phantasie des Zuhörers extrem in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Konzentration stehen auf beiden Seiten geschätzte 2,5 Promille entgegen und das kann sich als hinderlich auswirken.

Vereinsgesänge und in Noten gefasste Parolen sportiver Herkunft, lösen die unerträgliche Obszönität, der immer eindeutig werdenden Zoten ab. Dieses Spektakel ist nur von kurzer Dauer. Tiefgreifende Erkenntnisse philosophischen Ursprungs ereilen die Gehörgänge der ebenfalls sinnierenden Party-Gemeinde. Vielleicht sind es jedoch bloß Depressionen, ob der Erkenntnis der Sterblichkeit eines jeden Individuums und der Gewissheit, dass jeder Abend zu Ende gehen wird.

Telefon:	+49 (0) 2603 - 508 20 79
E-Mail:	deutschfluesterer@gmx.de

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