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Bei der BundeswehrIm Nachhinein betrachtet und genauso gestaltete sich das Prozedere, stellt sich mein Aufenthalt bei der Bundeswehr, als ein immer noch auszuklammernder Zustand dar.

Oft wird mir eine flapsige, um nicht zu sagen weniger ernstzunehmende Schilderung, mithin sogar eine beleidigende Darstellung der Begebenheiten vorgeworfen, welche sich aus meiner Sicht allerdings so zeigt und immer noch derart gebärdet.


Bei der folgenden Retrospektive ging es mir allerdings nicht um das Infragestellen oder Anprangern irgendwelcher politischen oder kulturellen Ideologien, welche die Notwendigkeit einer wehrhaften Truppe anzweifelt. Ebenso wenig hinterfrage ich die wirtschaftlichen Aspekte, welche ganz sicher unter dem Motto jeder Wurf ein Treffer eingeordnet werden könnten.

Die meinerseits absichtlich oberflächliche Betrachtung aus dem Blickwinkel eines gemeinen Soldaten, will sich vordergründig unterhaltsam, ruppig, hämisch, unangepasst und somit keinesfalls unterwürfig oder gar dressiert verstanden wissen. Ironisch jedoch ganz und gar nicht … in diesem Sinne.

♦ ♦ ♦


Eigentlich sollte ich Fahrer werden, doch der Sehtest fiel nicht dementsprechend aus und man machte aus mir einen Kanonier. Selbstverständlich muss es die Bundeswehr geben, sagen die einen. Aber zu diesen gehörte ich nie. Mich sprach das alles nicht an und die unentwegte Rede vom Feind kam mir an jedem neuen Tag ein wenig lächerlicher vor. Zunächst drängte sich ein Haufen junger Männer in einen Zug nach Munster.

Irgendwann kamen wir dort an und die meisten meiner Mitstreiter waren völlig betrunken. Gesungen wurde auch. Zwar nicht schön, aber dafür sehr laut. In Munster war ich falsch, das sollte sich noch zeigen. Man fand meine Papiere nicht, ich bewegte mit cirka zwei Wochen in Zivil und ohne die besagten Papiere konnte ich nicht eingekleidet werden. Auch machte ich keinerlei Dienst mit, denn in ziviler Garderobe ist man schließlich nicht getarnt.

Dann tauchten plötzlich diese Papiere auf und nun ging es nach Hamburg, denn nach Munster sollte ich wie erwähnt gar nicht. In Hamburg traf ich also mit Verspätung ein, wurde mit bundeswehrtypischem Dress ausgestattet und nahm dann endlich an der Ausbildung zum Kanonier aktiv teil. Mir wurde sehr schnell bewusst, dass das, was in den Vorschriften stand, auch nur Buchstaben waren und keinesfalls praktisch umgesetzt wurde. Als Schütze Arsch ist man zwar Soldat, aber kein General. Ein General ist jedoch auch nur ein Soldat und für alle Soldaten gelten die Vorschriften gleich … jedenfalls auf dem Papier.

Nach der Grundausbildung verbrachte ich den Rest meiner Zeit in Lüneburg. Ich war W15er, wie es seinerzeit genannt wurde und ’seinerzeit‘ bedeutet 1975. Meine Karriere endete als Gefreiter. Ehrlich gesagt war es mir egal. Jedenfalls hörte ich immer wieder die Stimmen meiner Kameraden posaunen, die sich gegen das dortige Treiben und Geschehen auflehnten. Zumindest in Worten. Aber kaum kannten sie den Weg in diesen Krims-Krams-Laden, deckten sie sich mit allerlei Firlefanz ein.

Ganz wichtig war ein Maßband in einem Plastikkorken. Das Metermaß lugte heraus und wurde jeden Tag um einen Zentimeter gekürzt. Jedem Krummfinger hielt man das Teil zum Schnuppern unter die Nase. Die Neuankömmlinge besaßen krumme Finger vom Koffertragen, also nannte man sie Krummfinger.

Bei den Übungen im Gelände ballerten meine Kameraden los wie die Pistoleros. Ich nicht. Ich feuerte nur einmal ab, mehr wurde nicht verlangt. Meine Zurückhaltung bewies sich als klug, weil meine Waffe Ruckzuck gereinigt war. Die Cowboys taten sich ein wenig schwerer damit.

Das Wort Biwak kam nie über meine Lippen. In Zelten und im Wald zu übernachten, war irgendwie nicht mein Ding. Während die Unteroffiziere in festen Unterkünften die Füße an den Ofen schoben, schlotterte das Fußvolk im Wigwam.

Auch die Einnahme der Mahlzeiten im Gelände hatte so ihre Eigenheiten. Das ganze Gedöns muss letztlich wieder auf Hochglanz poliert werden und das ist verzichtbar. Erheblich praktischer erwies sich ein Teller aus Plastik. Das UfO war farbtechnisch nicht ganz so getarnt, ließ sich aber erheblich freundlicher reinigen.

Was mir ohnehin nie in den Kopf wollte, ist, die bis zur Selbstaufgabe führende Unterwürfigkeit. Besonders bei der Durchführung des Dienstplanes machte sich diese eigenwillige Einstellung bemerkbar. Da stand etwas auf Papier, also wird’s gemacht. Nicht denken, einfach machen. Da spielte ich nicht mit. Draußen goss es aus Eimern – auf dem Dienstplan stand TD.

TD bedeutet technischer Dienst. Das wiederum bedeutet: man trabt in den technischen Bereich und bringt sein Gerät auf Vordermann. Dazu gehört auch eine ordentliche Reinigung. Bei strömendem Regen? Wäscht hier nicht Mutter Natur das Gröbste? Quatsch … nicht bei der Bundeswehr. Hier steht es auf dem Dienstplan und dann hat das auch zu geschehen. Mir wollte das nicht in den Kopf und ich teilte unserem Oberfeldwebel meinen Entschluss mit, nicht an diesem Unsinn teilzunehmen. Diese Entscheidung wurde akzeptiert und kostete mich allerdings 100,- Mark, denn es wurde ein Diszi (Disziplinarstrafe).

Eines wurde mir bei der Bundeswehr schnell klar: stell keine Fragen und verhalte dich unauffällig. Ich erinnere mich an eine Begebenheit, als wir mit etlichen Leuten Kameraden zum ersten Mal um die Panzerhaubitze M109G* standen, und uns das Gefährt näher gebracht wurde. Es wiegt soundso viel, kann auf der Straße diese und im Gelände jene Geschwindigkeit erreichen und das *G steht für Germany, weil ein deutsches Waffensystem eingebaut wurde. Die Haubitze kann soundso weit schießen und der Spritverbrauch ist gewaltig. Der Motor ist ein Dieselaggregat, stammt aus dem Hause soundso, leistet soundso viel PS und besitzt acht Zylinder … Aha.

»Hat noch jemand eine Frage?«
»Ja, ich«, erdreistete ich mich den Arm zu heben, um auf mich aufmerksam zu machen. »Wie viel Kubikzentimeter hat die Maschine?« Das hätte ich nicht fragen sollen. Der Herr Oberfeldwebel schaute seine Uffze (Unteroffiziere) an und die schauten – nach einer Antwort suchend – den Boden ab. Ich kannte das Bild aus den Asterix-Comics. Die römischen Legionäre schauten auch immer so deppert drein. Ich bekam jedenfalls keine Antwort und das vor all meinen Kameraden. Ich wollte es gar nicht wissen, es war bloß ein Verhaltenstest.

Irgendwann wählte man mich zum Vertrauensmann und ich bekam eine Sondergenehmigung zum Einsehen und Ausleihen von in Büchern geordneten Befehlen, Verordnungen, Tabellen und technischen Beschreibungen und die lagerten in der Vorschriftenstelle. Das war gut. Endlich wusste ich, was tatsächlich in den Zeilen stand. Ich kam mir vor wie Luther. Ich las so ziemlich alles durch und machte aus mir einen wandelnden Info-Stand. Jedenfalls schuf ich damit den Status, nicht alles kommentarlos hinnehmen und mir nicht irgendeinen Unsinn erzählen lassen zu müssen.

Ich war der Drittlängste, also stand ich in der vordersten Reihe als Erster beim Antreten der Batterie. Es heißt bei der Artillerie nicht Kompanie, sondern Batterie. Vorne als Erster zu stehen hatte nur einen Vorteil, man musste sich nichts merken. Alle anderen gesellten sich drum herum. Der Nachteil war jedoch, dass man unweigerlich vorne stand, im Fokus sozusagen.

Da die Kaserne über keine Wach-Kompanie verfügte, erging das Wacheschieben an die kasernierten Einheiten und die stellten dafür Leute Soldaten ab. Wenn dann unser Bataillon an der Reihe war, stand ich mit einem weiteren Kollegen Kameraden am Haupttor. Als Wachsoldat ist man irgendwie der Chef, der Vorgesetzte auf jeden Fall und man hat das Sagen. Wer darf rein (in die Kaserne), wer darf raus und wohin (des Weges) überhaupt. Fahrbefehle, vorgeschriebene Strecken und weiß-der-Geier was nicht noch alles von epochaler Wichtigkeit ist.

Mir erschien das alles recht albern. Die Erinnerung an diese Zeit ist eine ungeordnete Zusammensetzung gehabter Erlebnisse. Wer erst beim Bund das Bettenmachen gelernt hat oder das ordentliche Zusammenfalten von Shirts und Socken, dem hat diese Zeit etwas gebracht. Wer dort jedoch erst den aufrechten Gang erlernte, spielte zu lange in Kaspar Hausers Liga.

Zum Scharfschießen flog die ganze Mannschaft Batterie nach Kanada (Brandon/Winnipeg). Mit einer Boeing 707 der Luftwaffe ging’s dann los zur ›Shiloh-Ranch‹, so hieß das Areal jedenfalls. Die Verpflegung war um etliche Klassen besser als in der zurückgelassenen Kaserne. Die Unterbringung war allgemein nicht vergleichbar und wie es sich gehört, stand erstmal eine Vergatterung auf dem Dienstplan, schließlich befindet man sich jetzt in Kanada und da gehen einige Uhren anders.

Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ist verboten. Ach, dachte ich. Darum verstecken die Leute den guten Schluck immer in ein Brot und tun so, als würden sie davon abbeißen. Dabei genehmigen sie sich gerade einen Mundvoll. Pinkeln in der Öffentlichkeit ist auch verboten. Aha. Nichts da, von wegen, mal eben ’ne Stange Wasser am Baum abstellen. Da droht Ärger und kostet den Soldaten stolze 100,- Märker in Form eines Diszi’s. Es waren noch ein paar Dinge untersagt. Die dortigen Feldjäger hatten scheinbar alle Hände voll zu tun.

Ausgang war angesagt. Manche zogen im funkelnden Zwirn (Ausgehanzug) durch Winnipeg und kamen mit blauen Augen wieder zurück. Irgendwie hatten einige Indianer die Zeit des 3. Reichs noch nicht verwunden. Ein deutscher Soldat in Uniform machte sich in ihrer Nähe jedenfalls nicht beliebt. Ich wusste schon, dass es mit Hemd und Jeans unauffälliger ist … und gesünder allemal. Aber der Name Ausgehuniform besaß für manche eben einen anderen Inhalt.

Wir waren nicht die Ersten dort. Den zerschossenen Panzern, die von Winden über das Gelände gezogen wurden, war es anzusehen. Endlich konnte man mal richtig drauflos ballern und das Teil an der Winde zu treffen versuchen. Ja, da waren einige wieder kaum zu bremsen. Direktes Richten nennt man das. Im Periskop lässt sich der Schrotthaufen erkennen und dann drückt man ab. Alles gestaltet sich wie bei einem Konsolenspiel. Joystick mit fingergerechter Abschussmöglichkeit. Aber auch hier sollte der Schütze vor dem Schuss einen kleinen Abstand zum Periskop einnehmen, sonst wird das Auge wieder blau, zumal das direkte Richten über einen gewaltigen Rückstoß verfügt und den gilt es zu beachten. Wird dann ein Treffer über den Bordfunk gemeldet, ist die Freude groß.

Ganz streng verboten war das Ansichnehmen von Munitionsteilen, welche sich massenhaft auf dem Gelände befanden. Immerhin kann man sich selbst (oder andere …) damit verletzen. So ein auseinandergeplatzes Munitionsteil einer Artilleriegranate ist an den Kanten messerscharf. Stimmt. Zum Transport wickelt man es besser in einen alten Lappen. Legt man es dann auch noch sichtbar in seinen Spind, wird die nächste Kontrolle zur Zitterpartie. Stimmt auch.

Ich besaß so ein Souvenir und musste daraufhin mit Stahlhelm zum Oberboss, also zum Kommandeur, im Range eines Oberstleutnants. Der las just meine Akte und mein Vergehen durch, während ich akribisch seinen Schreibtisch inspizierte, jedenfalls optisch. Ein verchromtes Munitionsteil lag dort und das diente dem mit silbernem Eichenlaub dekorierten Herrn als Briefbeschwerer. Mein Blick blieb an diesem Teil kleben und das führte dazu, dass mein Vergehen nicht geahndet wurde. Gleiches Recht für alle …

Eine eigenmächtige Verlängerung des Weihnachtsurlaubs aufgrund gleichsamer Inanspruchnahme der Silvesterdienstbefreiung, förderten nicht nur ein weiteres Diszi zutage, sondern erbrachten auch das Nachdienen der fehlenden Tage. Schließlich muss man die Zeit als W15er auch in voller Länge absolvieren. Diese nachzudienende Zeit gestalteten sich recht amüsant, zumal ich bereits vollausgekleidet war und einen gelben und einen roten Socken beim morgendlichen Antreten trug. Diese kuriose Erscheinung ist weder verboten, noch erlaubt; sie war nicht erfasst worden, was die Vorschriften betrifft.

Ich genoss die Rolle des Kaspers und machte mir einen Spaß daraus. Die Dienstvorschriften habe ich nicht verfasst, aber aufmerksam gelesen. Das alleine war einigen meiner seinerzeitigen Vorgesetzten ein Dorn im Auge.

Einige meiner damaligen Kameraden absolvierten andere Dienstzeiten. Sie verpflichteten sich für mehrere Jahre. Für sie standen dann spezielle Lehrgänge auf dem Dienstplan und nach pflichterfüllter Tat stießen sie mit anderer Dekoration auf den Schultern wieder zu uns, zu ihrer Stammeinheit. Manche verhielten sich plötzlich ganz anders. Eine deutliche Distanz zum gemeinen Soldaten war spürbar. Eine Uniform plus Rangabzeichen vermöen es also doch einen Menschen zu (ver)ändern. Unter der Dusche sahen wir dann alle wieder gleich aus.

Die interne Geheimwaffe war das Ausgehverbot zum Wochenende. Für etliche meiner Kameraden schlug diese Falle sehr oft zu. Ich weilte damals in den Niederlanden und die Reisezeit hätte die Hälfte des Wochenendes beansprucht, weil ich mit dem Zug gereist wäre. Somit zog ich es vor nicht ins Wochenende zu fahren und das blieb während meiner ganzen BW-Zeit so. Unter den Dienstgraden war es bekannt. So was spricht sich schnell herum – immerhin ist es ungewöhnlich. Mir den Wochenendausgang zu streichen oder damit zu drohen, war demnach witzlos. Ich wäre ohnehin nicht gereist.

Irgendwas passte irgendeinem Vorgesetzten ohnehin nie. War es ein Utensil im Schrank, welches bei der Spindkontrolle auffiel, ein falsch zusammengelegtes Shirt, ein fehlender Socken oder ein Hauch von Unhygiene im Essensfach, oder war es eine miserable Zeit, die beim Zusammenbau des G3 (seinerzeitiges Standardgewehr der BW) erreicht worden war. Vielleicht war es bloß der miserable Bettenbau, der dann am bevorstehenden Wochenende geübt werden würde.

Vieles wollte mir nicht in den Kopf. Warum begrüßen sich die Dienstgrade per Soldatengruß und geben sich dann auch noch die Hand? Was soll das? Entweder oder! Was ist ein Unteroffizier mit, beziehungsweise ohne Portepeé? Ich besaß die Stirn einen Feldwebel danach zu fragen. Er hätte es wissen müssen. Er gehörte zu den Portepeé-Trägern, wenn auch ohne sein Wissen, wie ich dann bemerken musste. Ja, ich entwickelte mich zum Klugscheißer, der dem dortigen Treiben nichts abgewinnen konnte.

Das in österreich gerne benutzte Wort Blunschli bezeichnet ein Ding, eine Sache oder eine Eigenheit, welches zum besseren Erinnern an was-auch-immer hilft. Als Beispiel ließe sich hier die auffällige Gesichtsbehaarung einer Person erwähnen, zumal sich daran besser erinnert lässt, als an den Namen. Mein Blunschli bestand aus dem seitlichen Zubinden der Stiefel und das war seinerzeit nicht in den Vorschriften dokumentiert.

Wäre es nicht so umständlich, hätte ich die Schnürsenkel ebenso hinten zubinden können. Ich begnügte mich mit der seitlichen Bindung. Da baumelten sie dann herum und muteten wie die Bommelchen einer Tracht an. Oftmals sprach man mich seitens meiner Vorgesetzten darauf an, aber es gab nun mal keine befohlene Vorgabe. Mein äußeres war somit nicht zu beanstanden. Im Gegenteil. Schuhe, in manchem Fall auch Stiefel zu putzen, entpuppte sich als Kunst.

Schwarz müssen sie sein und glänzen müssen sie, wie eine Speckschwarte. Es dauerte zwar ein wenig, aber mit der nötigen Menge Schuhcreme wurde aus den einst braunen Samba-Socken Schwarze. Den Glanz erhielten sie durch kräftiges Wienern und durch den Einsatz von Haarspray. Auch nach gewissen Exkursionen durchs Gelände war das Reinigen später kinderleicht. Unter fließendem Wasser lief der Dreck mühelos ab und das zur Freude des Eigners.

Die Rolle des Fighters musste durch die des Lovers getauscht werden, koste es, was es wolle. Fast täglich stellte ich mir die Frage und betrachtete dabei den Rest meiner Kameraden, ob man mit diesen Leuten Soldaten tatsächlich einen Krieg gewinnen könnte. Gottlob blieb es bei der Frage, eine Antwort wollte ich wirklich nicht bekommen. Es entspricht nicht meiner Art in Abwesenheit eines Betroffenen über ihn zu sprechen, aber die Figuren mancher Feldwebel sahen einem Brummkreisel ähnlicher, als einem zu jederzeit bereiten Wehrhaften.

Schuld an dieser kolossalen Veränderung sei natürlich das Essen … klar doch. Das sagenumwobene Hängolin, welches sein Unwesen im Kaffee des BW’lers fristet und die Libido auf den Nullpunkt zu treiben vermag, gehört noch immer zur Gattung Mythen und Märchen für Soldaten. Viel mehr ist es das tägliche Einerlei, die Langeweile und der Besuch der Kantine mit dem fast täglich stattfindendem Besäufnis. Das ist der Sog, dem man sich mangels Alternative nur schwerlich entziehen kann.

Nach etwa der Hälfte meiner Dienstzeit stellte ich einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung. Es hieß zwar Kriegsdienst … aber das Wort Krieg ist verzichtbar und alles was dazu gehört ebenso. Während der Entscheidungsphase, war ich von allen Waffendiensten befreit, dass allein machte Sinn und das allein sollte Motiv sein. Handgranatenwerfen und zum Schützenstand latschen, um dort herumzuballern wie ein Bekloppter, sollte machen, wer will, ohne mich. Ich wartete auf die Entscheidung des Kreiswehrersatzamtes und das konnte dauern.

Sich in die Erde einzubuddeln, sich tarnen und andere derartige Befehle auszuführen, erachtete ich als hochgradig lächerlich. Die Bilder der erfrorenen und zurückgekehrten Soldaten des 1. und 2. Weltkriegs sprachen eine andere Sprache und diese Fotos waren Realität. Dickbäuchige und großmäulige Uniformträger waren auf den Fotos nicht zu entdecken. Noch immer munkelt man von gefallenen Soldaten, die von einer Kugel getroffen wurden. Die Kugel steckte jedoch im Rücken …

Das likörähnliche Gesöff namens Persiko stand hoch im Kurs. Das Zeug brannte zwar Löcher ins Linoleum, machte aber schnell fröhlich und war extrem günstig. Bei einem dieser lustigen und alkoholschwangeren Abende auf der Stube, übten wir (meine Kameraden und ich) eine Art Ballett ein, welches beim Antreten am kommenden Morgen zur Aufführung gebracht werden sollte. Da ich mich auf die Kommandos konzentrierte, um entsprechend und nach Vorgabe des gehabten Abends passend darauf reagieren zu können, achtete ich nicht auf das Mitwirken der anderen. Ich hob also die Arme beim Stillgestanden deutlich zu hoch und ahmte unfreiwillig die Figur einer Henkeltasse nach. Beim rührt Euch lagerte ich das Bein recht schwungvoll und überaus galant nach vorne aus und war – wie man sich eventuell denken kann – der einzige Nurejew in der Truppe.

Die anderen ließen mich diese Übung allein vollführen und mich kostete der Spaß mal wieder 100,- Märker per Diszi. An sexuelle Übergriffe oder an Kekswichsen kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht stießen auch hier die kreativen Leute erst Jahre später zur Truppe. Mein Antrag auf Wehrdienstverweigerung wurde abgewiesen. Damit war zu rechnen. Anders gesagt, genau das ist kalkulierbar.

Wenn ich in der heutigen Zeit Berichte in den Medien verfolge, in denen von eklatanter Schikane die Rede ist, stelle ich mit Bedauern fest, dass sich in all den Jahren nur das Datum geändert hat. Das Verhalten einiger sogenannter Vorgesetzter hingegen nicht. Zu Reserveübungen musste ich nie antreten. Erstens wurde ich vollausgekleidet und zweitens steht mir Oliv offensichtlich nicht …

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